Es war im Jahre 1923, als die Franzosen und einige erkaufte Landesverräter – an der Spitze Dr. Dorten, der seine Jugendstudien bei französischen Jesuiten gemacht hatte – im Rheinlande und in der Pfalz eine Bewegung zur Losreißung von Deutschland und Angliederung an Frankreich ins Leben riefen. Da das Volk von solchen Bestrebungen nichts wissen wollte, glaubten die Drahtzieher es mit erkauftem Gesindel, Lumpen, Spitzbuben, Verbrechern zu schaffen. Mit französischem Gelde und Waffen und mit Unterstützung der fremden Besatzung sollte das Werk eiligst durchgeführt werden. Werbeschriften und Werberedner überfluteten das Land. Auch der rheinische Ritter erdreistete sich, hier in einer Rede in Eifelverein für eine rheinische Republik einzutreten. Aber er schoß daneben und war für den Eifelverein erledigt.
Eines Morgens, als die stillen Bitburger Bürger aufstanden, waren alle Ämter von bewaffneten Separatistenscharen, lauter fremdem Pack, besetzt. Aus Bitburg war nur ein einziger dabei, ein gewisser Blasius, ein Mensch von zweifelhaftem Rufe, der das Amt eines Landrats in der neuen Rheinischen Republik zu erlangen hoffte, und aus dem Dorfe Heidweiler im Kreise Wittlich war, ein gewisser Valerius, auch ein begabter Mensch von zweifelhafter Vergangenheit dabei, der es auf den Posten eines Polizeikommissars abgesehen hatte. Diese beiden scheinen hier die Führung in Händen gehabt zu haben. Der Schlag in der Nacht mit der Besetzung der Ämter und er Beschlagnahmung aller erreichbaren Waffen der Beamten und Jäger hatte einen Widerstand sozusagen unmöglich gemacht.
Auf der Post hatten die Söldlinge sofort das Fernamt besetzt und überwachten nun den Verkehr.
Als unsere Hildegard und Brunhilde morgens zum Dienste im Fernamte antraten, mussten, sie es dulden, das rechts und links nach Schnaps und Tabak stinkende, bewaffnete Kerle von unzweifelhaftem Aussehen sie überwachten. Trotzdem gelang es den Mädchen noch schnell, diese wichtige Mitteilung an einige Stellen weiter zu geben. Herr Postsekretär Streit, der an Stelle des ausgewiesenen Postmeisters Schäfer das Amt leitete, wurde von einer Separatistenwache auf das Landratsamt geführt, wo die Leitung der Revolutionäre waltete, aber wieder freigelassen. Das freche Auftreten des Gesindels und die Beschlagnahmungen von Lebensmitteln und Stroh bei den Bauern der umliegenden Dörfer überzeugte auch den ahnungslosesten und vertrauensseligsten Menschen bald, was für ein „Gesochs“ sich da unter dem Schutze der Franzosen die Herrschaft anmaßte.
Die Beamten auf der Post kochten vor Grimm über die frechen, lästigen Kerle. Die Gärung musste eines Tages überkochen. Und es kam. Da faßte jeder an, was er zufällig in die Hand bekam zum dreinschlagen, und so erwischte auch einer ein Rohr. Im Nu waren die feigen Hunde aus dem Amte geschlagen, einer ein wenig fest, so daß er zusammenbrach. Im Augenblicke fürchtete man das Schlimmste, aber bald zeigte es sich, dass keine Gefahr war. Gleichzeitig hatten sich die übrigen Bürger im stillen auf einen Sturm des Landratsamtes vorbereitet. Von der Stadtmitte aus trieben die Bitburger mit Fäusten und Stöcken und mit lautem Hurra die mit Pistolen, Karabinern, Revolvern und Säbeln bewaffneten Lumpen vor sich her. Ich habe noch nie Kerle so laufen sehen, wie diese elenden „Helden“. Als aber die Bürger ans Landratsamt kamen, standen die Franzosen bereit mit Gewehren und Maschinengewehren. Und so blieb der Erfolg aus.
Telegrafisch rief der französische Kommandant aus Trier Truppen herbei. Und so patrouillierten Franzosen und Separatisten „tapfer und heldenkühn“ die Straßen ab, auf denen sich die Bürger nicht zeigen durften. Nun saßen aber zwei wackere Postbeamten, die sich in unsere Wohnung geflüchtet hatten, bei uns, um der Verhaftung zu entgehen. Einer hatte einen Dolch bei sich, den er einem der Separatisten abgenommen und als Andenken bewahren wollte. Den versteckten wir bei uns. Wir wartete, bis es in der Dunkelheit für die beiden Leute möglich wurde, durch das Bleichgässchen rasch heim zu gelangen. Ich schlich dann an unsere Haustüre, öffnete sie ein wenig, schaute hinaus, ob keine Patrouillen in der Nähe seien, als plötzlich zwei Kerle mit vorgehaltenen Revolvern auf mich lossprangen, mich anschrien und mit Erschießen bedrohten. Ich musste froh sein, dass ich nicht 2 Kugeln in den Leib bekam, schloss schnell die Türe. Nach einiger Zeit gelang es dann doch den 2 Postleuten ins Bleichgässchen zu entwischen und heimzukommen.
In Bitburg gab es nur wenige Leute, die mit den Separatisten sympathisierten, und von diesen war sich noch ein Teil nicht bewusst, was die Lumpen eigentlich wollten. Freunde der revolutionären Bewegung waren die Gutsbesitzer Dr. Joseph und Peter Limbourg, welche für sich persönliche Vorteile erhofften und am liebsten luxemburgisch geworden wären, aus welchem Lande ihre Mutter stammte. Doch stellten sie sich nicht ins Vordertreffen, arbeiteten aber um so mehr hinter den Kulissen.
Die Separatisten hier erhielten ihre Weisung von Prüm aus. Es wurde eine Versammlung hier abgehalten, die von den Führern in Prüm einberufen war. Die Bitburger erschienen zahlreich, die einen, um mal zu hören, was diese Leute wollen, die anderen, um scharf zu protestieren. Zu den letzteren gehörten mein Nebenmann in der Versammlung, der edle Pfarrer Fliedner, und ich selber. Als es nicht mehr länger mitanzuhören war, erhob sich Herr Fliedner und forderte alle auf, dem deutschen Vaterlande und dem deutschen Volke die Treue zu halten. Seine Worte wirkten. Die Versammlung ging auseinander mit dem Erfolg, dass Bitburg gegen die Bewegung war.
Auch eine zweite Versammlung, die sich gleich anschloß, wollte von den Separatisten nichts wissen, schien aber mit sich reden zu lassen über die Bildung eines katholischen Freistaates im Westen Deutschlands in Verbindung etwa mit Bayern, aber nicht unter Anlehnung an Frankreich, um auf diese Weise die fremde Besatzung loszuwerden und mit geringerer Zahlung von Kriegskosten wegzukommen. Aber auch in dieser Versammlung erreichten die Einberufer nicht, was sie wollten.
Da überall die Rheinländer, wie auch die Pfälzer, sich gegen die fremden „Landesbeglücker“ als Landesbedrücker auflehnten, konnte die „Rheinische Republik“ keinen festen Boden fassen. Um so fester aber krampften sich die Separatisten an die Franzosen, ihre Geldgeber und Schützer, an. Dagegen bemühten sich einige Bitburger Bürger, den Prümer Ausschuss zu veranlassen, auf friedlichem Wege die Separatistenhorden von hier zurückzuziehen, was auch gelang. Aber zum Danke dafür suchten einige diese kerndeutschen Männer des Einvernehmens mit den Prümer Landesverrätern zu beschuldigen.
Nach der Separatistenschlacht im Siebengebirge und ähnliche wackeren Taten in der Pfalz flaute auf der ganzen Linie die Bewegung ab. Die Haupträdelsführer verdufteten, die Verführten haben es zum Teil verdientermaßen gebüßt, und mancher, dessen Kinder noch lange hören müssen, daß ihr Vater in schlimmer Zeit ein Landesverräter war, gäbe viel darum, wenn dieser Makel nicht an seinem Namen klebte.